Man bereitet sich vor aufs Baby: Kleider einkaufen, Babyzimmer ausstatten, Ratgeber verschlingen und vieles mehr. Nur auf eines kann man sich nicht vorbereiten – was bedeutet es eigentlich ohne Schlaf auszukommen. Svenja Mänl ist eine der wenigen ausgebildeten Nacht Nannies und hat sich Zeit genommen mit mir über ihren Beruf zu sprechen. Sie weiss genau, was es für junge Familien bedeutet, wenn das Baby einfach nicht schlafen kann.

Schlafentzug ist eine Foltermethode
Svenja hat Sozialpädagogik in Münster studiert und sammelte erste Erfahrungen als Nanny in Berlin. Seit 2016 lebt sie in der Schweiz wo sie zunächst für 3.5 Jahre als live-in Nanny bei einer Familie am Zürisee beschäftigt war. Als die Kinder in den Kindergarten bzw. Schule kamen, war es Zeit für etwas Neues. Seit letztem Jahr ist sie eine von fünf ausgebildeten Nacht Nannies, welche in der deutschsprachigen Schweiz praktizieren. Die Ausbildung findet in England statt, für Svenja primär online aufgrund der Pandemie. Ich hatte den Begriff Nacht Nanny noch nie gehört und war super gespannt auf das Gespräch mit Svenja. «Im Idealfall ist eine Nacht Nanny eine ausgebildete Maternity Practitioner, die am Abend zu Familien mit Neugeborenen und Babys kommt und sich in der Nacht um die Kleinen kümmert, währen die Eltern Schlaf nachholen können» erklärt Svenja. Sie kommt meistens so zwischen 8–10 Uhr abends zu den Familien und übernimmt für die nächsten 10–12 Stunden. Die Nächte sehen absolut unterschiedlich aus und sie stellt sich einfach auf die Bedürfnisse der Familien ein. Manchmal handelt es sich um ein Schreikind, das einfach nicht Ruhe finden mag. Manchmal ist es eine Mutter die mehr Unterstützung braucht als sie bekommt. Ich bin absolut fasziniert von Svenjas Erzählungen und kann auf einmal sehr gut nachvollziehen warum jemand 400 Franken in die Hand nimmt für Schlaf.
«Da muss man durch»
In der Vorbereitung zu dem Gespräch mit Svenja bin ich auf einen Artikel aus dem Jahr 2014 im Mamablog vom Tagesanzeiger gestossen. Der Beitrag hat über 200 Kommentare und die meisten sind nicht sehr gnädig, Von «da muss man durch» zu «wieso bekommt man denn dann Kinder, wenn man sie eh abgibt» und «wie kann man so wenig durchhalten». Svenja erzählt mir ein bisschen von ihren Kunden und wenn man sich jetzt die riesige Villa am Züriberg vorstellt, wo sich die Nannies die Klinke in die Hand geben, dann ist das eher die Ausnahme. Es sind Familien, die so wenig Schlaf bekommen, dass sie tagsüber Fehler in ihrem Beruf machen. Die nicht mehr wissen, wie es weiter gehen soll und wie sie dem Alltag und anderen Geschwistern gerecht werden sollen. Es sind aber auch Mütter, die erkennen «ich kann nicht mehr». Ich bin absolut beeindruckt wie selbstreflektiert diese Mütter sind. Postnatale Depression und Schlafmangel sind wirklich ernst zu nehmen und es braucht leider noch viel zu viel Mut um sich nicht von solchen Kommentaren beeindrucken zu lassen, sondern darauf zu achten, dass es ihnen und dem Baby gut geht.
«Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind grosszuziehen»
So liest man in Büchern zu Kindeserziehung. Wobei dies wahrscheinlich eher auf Länder zutrifft, die in Stämmen leben, sah die Kindererziehung bei uns früher auch anders aus. Entweder haben mehrere Generationen in einem Haus gelebt, oder die Verwandtschaft war nicht fern. Heute ist das anders und so steigt die Nachfrage nach Unterstützung wie Svenja sie anbietet. «Bis Brexit gab es sehr viele Nacht Nannies die aus England in die Schweiz kamen, ein paar Wochen oder Monate blieben und dann wieder gingen» so Svenja. Das ist nun nicht mehr möglich und so ist Svenja schon oft Monate im Voraus ausgebucht. Meistens kommt sie zwei bis drei Nächte pro Woche, für einen längeren Zeitraum. Manche Familien buchen sie bereits vor der Geburt und so unterstützt sie dort bereits ab dem Wochenbett. Für andere ist sie die Notbremse, wenn die Eltern merken, so kann es nicht weiter gehen. Aus welchem Grund auch immer man sich entscheidet eine Nacht Nanny zu buchen, es ist definitiv die schlauere Variante als «durchzuhalten» und allen das Leben schwerer zu machen.
Mehr Informationen zu Svenja findet ihr hier:

- Website: https://www.schmetterlingszart.ch/
- Preise: 10-Stunden-Nacht = CHF400